Der Gesellschaftstheoretiker Claus Baumann (Universität Stuttgart) nähert sich dem Zusammenhang von urbanem Leben und emanzipatorischer Bildung und bezieht sich dabei auf Thesen von Theodor W. Adorno und Henri Lefebvre. Nach einer kurzen Pause liegt der Fokus auf dem seit 2011 existierenden Zwischennutzungsprojekt contain’t aus Stuttgart, das urbane Freiräume erschließt und an den Schnittstellen von experimenteller Offkultur, informeller Architektur und urbaner Transformation forscht. Der Mitinitiator Marco Trotta nimmt uns in seinem visualisierten Vortrag mit auf einen wilden Ritt durch die fünfjährige Projektgeschichte.
Vortrag von Claus Baumann
Das „Recht auf Stadt“ und die „Pflicht zur Entprovinzialisierung“ – Eine Querverbindung von Henri Lefebvres Urbanismuskritik zu Theodor W. Adornos Provinzialismuskritik
„Stadtluft macht frei“. Der französische Urbanismustheoretiker Henri Lefebvre behauptet, dass dieser mittelalterliche Rechtsspruch auch neuzeitlich noch einen Wahrheitskern besitze. Entsprechend fordert Lefebvre ein „Recht auf Stadt“. Er verbindet damit die Vorstellung eines Rechts nicht marginalisiert und nicht aus dem urbanen Raum verdrängt zu werden. Die Unterscheidung von Urbanität und Provinzialität geht bei Lefebvre weit über die soziologische Beschreibung von städtischem und ländlichem Leben hinaus: für ihn hängen Urbanität und Emanzipation aufs Engste zusammen. Dieser Zusammenhang wird auch von Theodor W. Adorno betont. Mit Blick auf die Bildung zur Mündigkeit spricht sich Adorno sogar für eine „Pflicht zur Entprovinzialisierung“ aus. Denn die Beschränkung von Bildung durch Provinzialität schränke zugleich die Möglichkeit von Emanzipation ein; im Extremfall stoßen sogar „die ländlichen Verhältnisse … ihre Enterbten in die Barbarei“.
In seinem Vortrag beleuchtet Claus Baumann den Zusammenhang von urbanem Leben und emanzipatorischer Bildung. Dabei werden notwendige Selbstorganisationsprozesse marginalisierter Gruppen in städtischen Quartieren aber auch Reprovinzialisierungstendenzen im städtischen Leben kritisch zur Sprache kommen, wie etwa die »Verkiezung« städtischer Bereiche zu sogenannten »Szenevierteln«.
Claus Baumann ist Gesellschaftstheoretiker und umherschweifender Urbanismuskritiker, nebenbei auch wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Stuttgart. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Gesellschaftstheorie und Philosophie der Ästhetik. Er hat an diversen Kunst- und Kulturprojekten mitgewirkt und einige Aufsätze zu gesellschaftskritischen Themen veröffentlicht. Des Weiteren ist er Teil des Autorenkollektivs Biene Baumeister Zwi Negator, das einen Beitrag zur situationistischen Revolutionstheorie verfasst hat.
Vortrag von Marco Trotta
contain’t
„Seit 2011 belebt contain’t aus Stuttgart urbane Freiräume und „forscht an den Schnittstellen experimenteller Offkultur, informeller Architektur und urbaner Transformation“ (aus dem Leitbild). Mit seiner Raumflotte aus Containern und mobilen Gebäuden ist contain’t Anfang 2016 an die Stuttgarter Wagenhalle umgezogen und bereitet den Projekt-Neustart vor. Marco Trotta, Mit-Initiator und Sprecher des mobilen Zwischennutzungsprojekts, spricht in seinem visualisierten Vortrag über Herausforderungen, Erfolge, Rückschläge und Strategien und nimmt euch mit auf einen wilden Ritt durch die fünfjährige Projektgeschichte.“